Es steht außer Frage, dass Unternehmenswerte für Organisationen eine zentrale Rolle spielen. Sie geben Mitarbeitenden Orientierung bei der Zielsetzung und sorgen für mehr Arbeitszufriedenheit. Allerdings können sie auch zu Konflikten führen, wenn sie nicht klar kommuniziert und definiert sind.
Deshalb müssen Führungskräfte wissen, was Unternehmenswerte bedeuten, welche Wertetypen es gibt und wie diese Werte im Arbeitsalltag tatsächlich gelebt werden. Dadurch können Entscheidungen transparenter nachvollzogen und bewusster getroffen werden.
Der folgende Überblick über aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisse zu Unternehmenswerten sowie praxisnahe Tipps soll Führungskräfte dabei unterstützen.
Wissenschaftliche Erkenntnisse: Wie Unternehmenswerte das Verhalten prägen
Eine Organisation als juristische Einheit hat keine eigenen intrinsischen Werte, sondern übernimmt die Werte ihrer Mitglieder [6]. Die persönlichen Werte aller Mitarbeitenden prägen ihr Verhalten – unabhängig von ihrer Position innerhalb der Organisation. Die Werte von Führungskräften haben dabei ein besonderes Gewicht: Sie fließen direkt in die Organisation ein und beeinflussen sowohl die Strukturen als auch die Mitarbeitenden selbst [1].
Führungskräfte sind maßgeblich an der Formulierung von Leitbildern und sogenannten oberflächlichen Werten beteiligt. Diese geäußerten Werte sind ein zentraler Mechanismus, durch den die Werte von Führungskräften in die Unternehmenskultur einfließen und das Verhalten der Mitarbeitenden prägen [1][2].
Das hierarchische Modell der Unternehmenswerte – Von finanzieller Kompetenz bis Integrität
Besonders interessant ist das Unternehmenswertemodell von Strickland und Vaughan [5]. Zwar haben sie sich mit gemeinnützigen Organisationen befasst, doch lässt sich das Modell auch auf andere Organisationstypen übertragen. Die Maslowsche Bedürfnishierarchie [4] bildet den Ausgangspunkt, und deren Übertragung aus der Psychologie in den Managementkontext führt zu fünf Wertekategorien in einer logischen Reihenfolge.
- Finanzielle Kompetenz – eine kluge Vermögensverwaltung und die Aufrechterhaltung der Solvenz sind wichtig, damit eine Organisation überlebt.
- Verantwortlichkeit – transparente Verfahren, angemessene Aufsicht und externe Kontrolle. Diese Werte helfen einer Organisation, sich vor unethischem Verhalten zu schützen und verhindern den Ressourcenaufwand zur Untersuchung oder Minderung der Folgen eines solchen Verhaltens.
- Reziprozität – maximiert die Akzeptanz und das Vertrauen sowohl intern als auch extern und wird durch ein klares Verständnis dessen erreicht, was die Organisation zu tun beabsichtigt, wie und warum.
- Respekt – das heißt, Beziehungen zu anderen aufzubauen, Meinungsverschiedenheiten zu tolerieren und kulturelle Vielfalt zu akzeptieren.
- Integrität und Selbstverwirklichung der Organisation – das bedeutet, kontinuierlich zu entwickeln und auszubilden, Verantwortung zu übernehmen und sich für die Öffentlichkeit einzusetzen.
Abb.: Das hierarchische Modell der Unternehmenswerte von Strickland und Vaughan, 2008
Im Vergleich zu anderen Konzepten der Unternehmenswerte hebt sich dieses Modell durch seine hierarchische Struktur ab. Denn es ordnet Wertemengen erstmals in einer nachvollziehbaren Reihenfolge an. Die Gliederung folgt einer klaren Logik – von grundlegenden Überlebenswerten bis hin zu sinnstiftenden Unternehmenszielen.
Zu Beginn stehen die Überlebenswerte, die für das Bestehen der Organisation unverzichtbar sind, aber nicht zwangsläufig kommuniziert werden müssen.
Danach rücken in der mittleren Ebene ethische Prinzipien und Verhaltensnormen in den Fokus. Sie schaffen Vertrauen und fördern stabile Beziehungen sowohl intern als auch extern.
Die oberste Dimension der Werte gibt dem Unternehmen Sinn und Richtung. Sie orientiert sich an den Erwartungen und Zielen der wichtigsten Stakeholder.
Obwohl das Modell ursprünglich für bestimmte Organisationstypen entwickelt wurde, verdeutlicht es eindrucksvoll die Bedeutung verschiedener Werteebenen für den Unternehmenserfolg. Das Zusammenspiel individueller und kollektiver Werte bleibt jedoch offen. Gerade deshalb lohnt es sich, persönliche Werte in die Unternehmenskultur einzubeziehen – denn Vielfalt macht Organisationen widerstandsfähiger und zukunftsfähig.
Management by Values: Unternehmenswerte als modernes Führungsinstrument
Unternehmen erkennen zunehmend, dass Unternehmenswerte die Leistung und die Einstellungen der Mitarbeitenden beeinflussen. Deshalb setzen sie Werte gezielt als wirkungsvolle Managementinstrumente ein.
Traditionell wurden Organisationen vor allem zielorientiert geführt. Die Verantwortlichen konzentrierten sich auf das Erreichen messbarer Ergebnisse. Management by Values (MBV) steht für einen Paradigmenwechsel. Im Gegensatz zu starren, bürokratischen Steuerungsmechanismen bietet MBV eine flexiblere und anpassungsfähige Führungskultur. Organisationen nutzen ihre Werte aktiv, um das Verhalten und die Motivation der Mitarbeitenden zu beeinflussen. Werte werden dabei zum zentralen Kompass. Sie prägen Einstellungen und ermöglichen eine tiefgreifende Veränderung von Denk- und Verhaltensweisen – statt nur einzelne Handlungen zu regulieren.
MBV unterstützt Führungskräfte dabei, fundierte Entscheidungen zu treffen. Es fördert kreative Lösungen für die Herausforderungen, Probleme und Risiken einer zunehmend komplexen Umwelt. Mit dem Fokus auf Qualität, Kundenzufriedenheit, Autonomie, Eigenverantwortung und flache Hierarchien ist MBV ein entscheidender Hebel. So lässt sich die Effektivität der Organisation steigern und ihre Wettbewerbsfähigkeit sichern [5].
Praktische Tipps: Unternehmenswerte erfolgreich implementieren und leben
Unternehmenswerte entfalten ihre volle Wirkung erst, wenn sie im Arbeitsalltag verankert sind und tatsächlich gelebt werden. Damit dies gelingt, sind gezielte Maßnahmen erforderlich. Die folgenden praktischen Tipps unterstützen Sie dabei, Unternehmenswerte erfolgreich zu implementieren und in Ihrer Organisation zu verankern:
- Kommunikation: Vermitteln Sie die Werte Ihrer Organisation klar und konsequent. Nutzen Sie regelmäßige Meetings, interne Newsletter und gezielte Schulungen.
- Vorbildfunktion: Leben Sie die Unternehmenswerte aktiv vor. Ihr eigenes Verhalten setzt den Standard für alle Mitarbeitenden.
- Integration in Prozesse: Verankern Sie die Werte in allen Geschäftsprozessen. Dazu gehören Personalbeschaffung, Leistungsbewertung und Entscheidungsfindung.
- Kontinuierliche Überprüfung: Überprüfen und passen Sie die Unternehmenswerte regelmäßig an. So stellen Sie sicher, dass sie aktuell und wirkungsvoll bleiben.
- Feedback und Partizipation: Ermöglichen Sie Mitarbeitenden, Feedback zu geben und sich aktiv an der Weiterentwicklung der Werte zu beteiligen.
Durch die Umsetzung dieser Tipps werden Unternehmenswerte zu einem wirkungsvollen Instrument, das das Verhalten der Mitarbeitenden positiv beeinflusst und eine erfolgreiche Unternehmenskultur fördert.
👉 Erfahren Sie in diesem Artikel, warum Wertschätzung in der Führung besonders wichtig ist.
Quellen:
- Arieli, S., Sagiv, L., & Roccas, S. (2020). Values at work: The impact of personal values in organisations. Applied Psychology, 69(2), 230-275.
- Berson, Y., Oreg, S., & Dvir, T. (2008). CEO values, organizational culture and firm outcomes. Journal of Organizational Behavior: The International Journal of Industrial, Occupational and Organizational Psychology and Behavior, 29(5), 615-633.
- Dolan, S. L., & Garcia, S. (2002). Managing by values: Cultural redesign for strategic organizational change at the dawn of the twenty‐first century. Journal of management development, 21(2), 101-117.
- Maslowsche Bedürfnishierarchie – Wikipedia: https://de.wikipedia.org/wiki/Maslowsche_Bed%C3%BCrfnishierarchie
- Strickland, R. A., & Vaughan, S. K. (2008). The hierarchy of ethical values in nonprofit organizations: A framework for an ethical, self-actualized organizational culture. Public Integrity, 10(3), 233-252.
- Thomsen, S. (2004). Corporate values and corporate governance. Corporate Governance: The international journal of business in society, 4(4), 29-46.