Systemisches Coaching ist aktuell in aller Munde. Doch was genau bedeutet „systemisch“ im Kontext des Coachings. Wie unterscheidet es sich von der klassischen Systemtheorie?
Im folgenden Blogartikel werden wir die Vorteile des systemischen Ansatzes, näher beleuchten. Denn der systemische Ansatz betrachtet Dynamiken und Zusammenhänge. Er eröffnet neue Möglichkeiten zum Handeln.
Grundlagen der Systemtheorie im Coaching
Systemisches Coaching hat in den letzten Jahren zunehmend an Bedeutung gewonnen und stellt eine wertvolle Methode zur Unterstützung in Veränderungsprozessen dar.
Das Konzept, berücksichtigt die komplexe Lebenswelt des Coachees. Denn beim systemischen Coaching steht die individuelle Situation des Coachees im Fokus.
Der größte Vorteil des systemischen Coaching ist, dass es die individuellen Ansprüche und Deutungen der Person unter dem Aspekt der empfundenen Objektivität akzeptiert und bearbeitet. Damit wird der persönliche Kontext individuell definiert und konstruktivistisch gedeutet
„Systemisch“ kommt vom griechischen Wort „systema“ (Zusammenhang). Das systemische Coaching beginnt daher mit der Betrachtung der Ausgangssituation, denn diese gilt es zu bearbeiten. Das „Systemische“ bezieht sich im Coaching auf die Zusammenhänge des Veränderungsthemas des Coachees, den sogenannten Kontext des Themas.
Wer oder was hängt mit dem Ist-Zustand zusammen? Was bedeutet das konkret, auch auf einer emotionalen Ebene?
Diese Form des Coachings basiert auf den Prinzipien der Systemtheorie, die besagt, dass Menschen und Organisationen in komplexen Systemen agieren, in denen alle Teile miteinander in Wechselwirkung stehen.
Das systemische Coaching darf jedoch nicht mit Systemtheorien oder systemischer Therapie verwechselt werden.
Eine Systemtheorie erklärt Systeme (zum Beispiel der Physik, Biologie, Soziologie oder anderer Wissenschaften oder der Philosophie) anhand bestimmter Ordnungsmerkmale.
Im Vergleich dazu wird das System in der systemischen Therapie auf die Beziehungen zwischen Menschen beschränkt.
Psychologische Ansätze im systemischen Coaching
Neben der Systemtheorie spielen psychologische Ansätze eine entscheidende Rolle, da moderne Psychologie und systemisches Denken eng miteinander verbunden sind. Bei COAWORKS nutzen wir dabei spezifische psychologische Modelle zur Erklärung und Formung von Verhalten. Dazu gehört z. B. das Zusammenspiel von Motiven, Werten, Erfahrungen und Prägungen. Auch wirtschaftswissenschaftliche Ansätze wie das Neue St. Gallen Management Modell berücksichtigen systemische Zusammenhänge im und rund um das Unternehmen.
Das systemische Coaching erfordert darüber hinaus eine psychologische Grundhaltung, die sich durch folgende Aspekte kennzeichnen lässt:
- Neutralität bedeutet eine bewusste Haltung des Nicht-Bewertens und wertungsfreien Wahrnehmens dessen, was im Moment sichtbar wird.
- Allparteilichkeit erfordert Respekt, Anerkennung und freundliche Neugier gegenüber allen Systemmitgliedern eines Kontextes.
- Respekt ist jederzeit und absolut gegenüber Personen wichtig, unabhängig vom Beratungs- oder Kontext.
- Vorurteilsfreie Wertschätzung beinhaltet die bedingungslose Anerkennung der Ideen, Wertvorstellungen und Konstrukte des Coachees.
- Transparenz erfordert klare Rollen für alle Beteiligten.
- Der Coach begegnet dem Coachee mit einer Haltung der respektvollen Neugierde.
- Der Fokus liegt auf vorhandenen Ressourcen, Kompetenzen und Lösungen des Coachees.
- Der Coach arbeitet mit Viel-Perspektivität, da jeder seine eigene Wirklichkeit konstruiert.
- Es ist wichtig, konsequent in Beziehungs-, Wechselwirkungs- und Kontextabhängigkeiten zu denken.
Systemisches Coaching: Methoden und Techniken
Systemisches Coaching nutzt eine Vielzahl von Methoden und Techniken, um Coachees dabei zu unterstützen, ihre Perspektiven zu erweitern und nachhaltige Lösungen zu finden.
- Aktives Zuhören, Spiegeln und Schweigen sind beim Coaching von grundlegender Bedeutung und schaffen einen sicheren Raum, in dem Coachees ihre Gedanken erkunden können.
- Effektives Fragen kann die Perspektiven der Coachees in Frage stellen, verborgene Ressourcen aufdecken und neue Denkweisen anregen.
- Visuelle Werkzeuge wie Genogramme, Soziogramme und Rollengramme, Modelle aus der Führungs-, Kommunikations- und Motivationspsychologie helfen Coachees, ihre Beziehungen und Erfahrungen zu visualisieren.
- Metaphorische Techniken wie Geschichtenerzählen, Rituale und Psychodrama können ein tieferes Verständnis und eine emotionale Verarbeitung ermöglichen.
- Beim Reframing werden Perspektiven geändert, um Probleme in einem neuen Licht zu sehen und positive Veränderungen zu fördern.
- Kontextwechsel können den Coachees helfen, sich von einschränkenden Mustern zu lösen und neue Möglichkeiten zu erkunden.
- „Reflecting Team“ bietet den Coachees mehrere Perspektiven und fördert so Selbstfindung und neue Erkenntnisse.
- Visualisierungen und Skizzen können komplexe Probleme klären und den Coachees helfen, eine neue Perspektive zu gewinnen.
- Hypothetische Fragen ermöglichen es Coachees, mögliche Zukunftsszenarien zu erkunden und sich gewünschte Ergebnisse vorzustellen.
Systemisches Coaching gegen Mitarbeiterfluktuation. Ein Beispiel aus der Praxis.
Systemisches Coaching wirkt besonders in der Organisationsentwicklung. Es betrachtet nicht nur das Verhalten, sondern auch die Dynamiken im System und ermöglicht so, Kommunikations- und Interaktionsmuster in Teams sichtbar zu machen und zu verändern.
Ich möchte dies anhand eines Beispiels aus meiner Erfahrung verdeutlichen. Die hohe Fluktuation im mittleren Management eines Bauunternehmens führte zu erheblichen Problemen. Um dem entgegenzuwirken, wurden den Mitarbeitenden individuelle Coachings angeboten. Im Mittelpunkt stand die Entwicklung persönlicher und beruflicher Kompetenzen. Gemeinsam mit dem Coach erarbeitete der Geschäftsführer das Profil des „idealen“ Projektmanagers. Anhand dieses Profils wurden sowohl intern als auch extern Mitarbeiter:innen ausgewählt. Diese ausgewählten Personen arbeiteten dann ebenfalls eng mit einem Coach zusammen. Sie nutzten systemische Coaching-Techniken wie das Erstellen von Soziogrammen und Rollengrammen, um ihre Beziehungen und Rollen im Team besser zu verstehen, und nahmen an Workshops zu metaphorischen Techniken und emotionalen Prozessen teil.
Besonders effektiv war die Integration von Reframing-Techniken in den Coaching-Prozess, die es den Projekt-Managern ermöglichte, ihre Probleme aus einem neuen Blickwinkel zu betrachten und positive Veränderungen zu fördern. Zusätzlich unterstützte der Geschäftsführer die Entwicklung ihrer Manager aktiv, indem er regelmäßiges Feedback gab und konkrete Hilfestellungen bot. Das Resultat war bemerkenswert: Die Mitarbeiterfluktuation sank innerhalb eines Jahres auf null, während die Effektivität der Angestellten signifikant anstieg, was letztendlich zu einer gesteigerten Stabilität und einem höheren Einkommen beitrug.
Dieses Beispiel zeigt, wie systemisches Coaching sowohl auf individueller als auch auf organisationaler Ebene eingesetzt werden kann, um die Mitarbeiterbindung und -Zufriedenheit zu verbessern.
Fazit
Systemisches Coaching bietet sowohl im Einzel- als auch im Teamcoaching enorme Vorteile, indem es individuelle Stärken fördert und gleichzeitig die Dynamik in Gruppen optimiert. Es unterstützt nicht nur persönliche Entwicklung, sondern kann im größeren Rahmen auch zu nachhaltiger Organisationsentwicklung beitragen. Durch die Integration von Coaching auf verschiedenen Ebenen entsteht eine langfristig erfolgreiche und harmonische Arbeitskultur.
Dann erfahren Sie, wie systemisches Coaching für Beruf und Persönlichkeit so hilfreich ist.
Quellen:
- Coach und Coachausbildung. CorporateWork Institute.
- Kutz, A. (2020). Systemische Haltung in Beratung und Coaching: Wie lösungs-und ressourcenorientierte Arbeit gelingt. Springer Fachmedien Wiesbaden.
- Webers, T. (2015). Systemisches Coaching. Springer Fachmedien Wiesbaden.
- Wörterbuch. Die Hamburger Schule.